Schloss Riede – Hinter alten Gemäuern wird die Zukunft gestaltet

Nadja Feldle Harry Soremski

Dort, wo die Vergangenheit noch allzu präsent ist – also hinter den dicken Mauern von Schloss Riede in Bad Emstal – beginnt die Arbeit an der Zukunft der E-Mobilität. So findet man auf dem Schlossgelände mit einer noch heute genutzten Kapelle, einen bewirtschafteten Küchengarten und einer großen Parkanlange mit den nachgebauten Wasserspielen „Kleine Wilhelmshöhe” nicht nur Photovoltaikanlagen, sondern auch mehrere Ladesäulen zu Testzwecken und – natürlich – E-Autos.

2007 kauften die Brüder Dr. Johannes und Dr. Christian Kahl das Anwesen. „Es ist die einzigartige Atmosphäre die das Schloss Riede ausmacht. Hier wurde in den vergangenen Zeiten großartig nichts verändert. Das findet man selten“, so Dr. Christian Kahl, der auf dem Gelände anfangs mit Familienmitgliedern und nun noch mit acht weiteren Personen lebt. Das Schloss enthält heute auf drei Etagen drei Wohnungen, wobei nur ein Teil des Schlosses genutzt werden.
Behutsam wurden das Anwesen und der Park renoviert und saniert – immer im Hinblick der Erhaltung der Atmosphäre von damals. In die historische Substanz wurde während der Sanierung nicht eingegriffen. So wurden alte Strukturen und Materialien integriert und die Ursprünglichkeit bewahrt. Der umsichtige Umgang mit dem alten Gemäuer wurde 2012 mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz gewürdigt.

„Dass auch die vorigen Schlossbesitzer so umsichtig waren, zeigt sich noch heute. So wurde das Grundstück lange Zeit mit Schafen bewirtschaftet, sodass keine größeren Landmaschinen notwendig waren. Denn ansonsten hätten viele Tore und Gebäudeeingänge verbreitet werden müssen.“ So hat sich der Gutshof kaum anpassen müssen. In dem weitläufigen Park finden sich auch echte Champions: fünf Bäume, die zu den ältesten und mächtigsten Deutschlands zählen. Bloß die Ladestationen und die Photovoltaikanlage auf einem der Gutshäuser fallen ein wenig aus dem Rahmen, zeigen aber, dass Vergangenes mit moderner Zukunft verbunden werden kann.

Denn das mittlerweile zehn Jahre alte Unternehmen Plug‘n Charge der Kahls entwickelt Ladesysteme für E-Autos, E-Bikes oder -Roller, aber auch für Smartphones. Dabei sind die Ladestationen tauglich für den Massenmarkt, kompakt und schnell aufgebaut. So wurde die Märchenstraße schon mit den Ladestationen aus Bad Emstal-Riede ausgestattet und auf zahlreichen Park-
plätzen findet sich der e-Polly. „Wir haben viel experimentiert und uns mit unterschiedlichen Firmen zusammengesetzt, bis wir das Design der Ladesäulen so entwickelt hatten. Unser Design zeichnet die Ladesäulen aus und bietet die Möglichkeit, auf die sich wandelnden Industrie-Anforderungen und Standorts zu reagieren. Wir müssen gerade in der E-Mobilität ausbaufähig bleiben.“

Neben großen Forschungsprojekten mit der Uni Kassel und der Hochschule Darmstadt oder dem E Mobility Lab Hessen mit dem Unternehmen Plug‘n Charge werden auch auf dem Gelände von Schloss Riede Förderprojekte des Landes Hessen umgesetzt. Beispielsweise die Photovoltaikanlage, die seit 2008 auf dem Dach besteht und deren erzeugter Strom nach Auslauf der Förderung von den Bewohnern auf dem Gelände genutzt werden kann.

Doch nicht nur über die erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind macht sich Dr. Christian Kahl Gedanken. Er interessiert sich besonders für die Möglichkeiten, die gewonnene Energie zu speichern und später nutzbar zu machen. „Wir haben sehr viel Sonne und Wind, doch uns fehlt bislang noch die Option, die nicht verbrauchte Energie festzuhalten. Die Kapazitäten gibt es noch nicht. Wir schauen aber genau, was möglich wäre und welcher Werkstoff die Zukunft sein könnte. Power-to-Heat ist da ebenfalls ein
spannendes Thema, welches da weiterverfolgt wird.“ Und so wird in dem großen Saal, der auch als Standesamt dient, an der langen Tafel nicht nur die Zukunft manchen Ehepaars besiegelt, sondern vielleicht auch eine Lösung für zukünftige Probleme gefunden werden.